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Ich setze meine Auswertung von Aufsätzen Jörg-Michael Vogls fort, der wie ich über „Marktwahlen“ (Proportionswahlen) und ihre Herbeiführung publiziert hat, wobei ich wie bisher nur auf Überlegungen bezugnehme, die der Herbeiführung gelten. Es geht heute um zwei thematisch zusammenhängende Aufsätze Vogls, die sich seinem von mir im letzten Eintrag erörterten Text unmittelbar anschlossen: „Banker weg, wir brauchen eine Revolution!“ Spurensuche für eine gesellschaftliche Logik des „Gemeinsamen“, in Kommune 2/2009, S. 65 ff., hier zitiert in den Abschnitten 1 bis 4, dann im Abschnitt 5 Die da unten und die da oben. Arbeiterklasse – Arbeiterpartei: eine Spurensuche, in Kommune 1/2010, S. 74 ff.. Das gemeinsame Thema ist die Frage nach dem revolutionären Subjekt. Im ersten Aufsatz gibt (auch) Vogl der Vorstellung, das Proletariat sei das revolutionäre Subjekt, den Abschied, im zweiten trägt er nach, inwiefern es dennoch ein w i c h t i g e s Subjekt ist im Zusammenhang der Umwälzung, um die es geht. Er ist übrigens Lehrer im Ruhrgebiet und Publizist, der im „Forum für Politik, Ökonomie und Kultur“ Kommune, in der „Zeitschrift für Philosophie und Sozialwissenschaften“ Das Argument und auch anderswo veröffentlicht hat. Zusammen mit seiner Frau, Elke Vogl, die bildende Künstlerin und ebenfalls Lehrerin ist, betreibt er einen öffentlichen Salon in Marl (www.frageraum.de).
Vogl setzt nicht mit der Aussage ein, das Proletariat sei kein revolutionäres Subjekt, sondern grundsätzlicher mit der Rolle von Ausgegrenzten. Das Thema hat Tradition: In der 1968er Revolte, die am Primat der Arbeiterklasse noch festhielt, 15 Jahre bevor André Gorz dessen historisches Ende konstatierte (Abschied vom Proletariat, Reinbek 1983), war zugleich auch schon viel von den Ausgegrenzten aller Art, den „Randgruppen“ die Rede. Und wie Axel Honneth in seinem jetzt erschienen Buch plausibel macht, gehörte ja das Proletariat seinerseits zu den ausgegrenzten Gruppen und kämpfte, was immer man von seiner revolutionären Rolle denkt, jedenfalls auch einen Kampf um „Anerkennung“ in der vorhandenen Gesellschaft, den es gewann (Die Idee des Sozialismus, Berlin 2015). Vogl indes widerspricht den Erwartungen, die auf Ausgegrenzte projiziert werden:
„Besonders bekannt ist der aktuelle Versuch von Michael Hardt und Antonio Negri, die Multitude als […] revolutionäre[s] Subjekt zu sehen. Entgegen traditionellen linken Vorstellungen halten sie dabei die Armen, nämlich die in den ärmsten Regionen der südlichen Hemisphäre, die Afroamerikaner, die Migranten, die (zeitweise) Erwerbslosen mit ihrem Wissen und ihrem Erfindungsreichtum für die gesellschaftliche Produktion für zentral. Denn diese finde unter den heutigen Bedingungen ebenso innerhalb wie außerhalb der Werkstore, Büros oder Ställe statt. Die gefährlichen Klassen, also insbesondere die Armen, seien für den Widerstand paradigmatisch, dessen Form die Vernetzung der Einzelnen sei. Interessanterweise grenzen auch Hardt und Negri nur Akteure für die postkapitalistische Gesellschaft ab, ohne deren neue Logik zu thematisieren; insbesondere ökologische Fragen spielen keine theoretische Rolle.“
Das aber gerade führe zur falschen Überschätzung der Ausgegrenzten. „Eine neue Logik des Gemeinsamen kann natürlich auch im Slum entstehen, und sie entsteht auch dort, aber dann wird diese neue Logik, die der der grenzenlosen Konkurrenz entgegengesetzt ist, vorgeschlagen und konstruiert“, das heißt dann muss eine Konzeption vorliegen, entstehe sie wo immer, der sich die Slumbewohner anschließen können. Und dann ist nicht so sehr ihre Ausgegrenztheit als die Perspektive, in die sie sich einbringen, der Grund ihres Revolutionärseins. Und das wiederum heißt, es müssen nicht Slumbewohner sein – nicht nur sie, auch nicht vor allem sie -, denen die Erarbeitung der Perspektive gelingt und die auf deren Grundlage revolutionär werden. Was bedeutet das positiv? Es bedeutet, dass man der Gefahr nicht erliegen darf, „das volle Gewicht der Verantwortung derjenigen, die die neue Logik tragen, zu verdecken“ und dass „der Optimismus des 19. Jahrhunderts, jemand könne auf der Seite der Geschichte stehen“, sei es nun eine Klasse oder seien es Ausgegrenzte, grundsätzlich in die Irre führt.
Mit der zuletzt zitierten Wendung führt Vogl eine uns schon aus der vorigen Notiz vertraute Analyse fort: Die Annahme, es gebe so etwas wie historische Gesetze, ist falsch. Warum ist es dann auch falsch, auf Ausgegrenzte zu setzen? Weil die Beantwortung der Frage, worauf zu setzen ist, dann radikal mit dem Eingeständnis beginnen muss, dass ü b e r h a u p t a u f n i c h t s , was einfach nur schon da ist, gesetzt werden kann. Gäbe es freilich ein Geschichtsgesetz, die Geschichte würde von diesem Gesetz determiniert. Gäbe es eine Klasse, Schicht oder Gruppe, die von vornherein mehr Chancen als andere hätte, das Neue zu setzen, auch das wäre Geschichtsdetermination. Wenn es sich aber verbietet, solches anzunehmen, werden wir zu einer radikalen Schlussfolgerung geführt: dass das Setzen des Neuen, wo nicht vor dem Hintergrund eines Gesetzes, da nur umgekehrt aus einer v o l l k o m m e n n i h i l i s t i s c h e n S i t u a t i o n heraus gelingen kann (wenn es überhaupt gelingt, was ja nicht etwa „gesichert“ ist). Diese Schlussfolgerung deutet Vogl an, wenn er vom v o l l e n G e w i c h t d e r V e r a n t w o r t u n g derer spricht – wer immer sie seien! -, „die die neue Logik tragen“.
Man muss sagen, dass seine Analyse weit radikaler und weit plausibler ausfällt als die von Honneth jetzt vorgelegte. Auch Honneth kritisiert den historischen Gesetzesglauben, dem Marx noch anhing, weil ihm vorher die Frühsozialisten und noch davor die fortschrittsoptimistischen Aufklärer anhingen. Das ist ja als solches noch nicht originell. Man wiederholt so weit nur, was Karl Löwith schon kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs herausgearbeitet hat (Weltgeschichte und Heilsgeschehen. Die theologischen Voraussetzungen der Geschichtsphilosophie, Stuttgart Weimar 2004 [englische Erstausgabe 1947, deutsche 1953]). Aber Honneth sieht nicht, dass es dann auch falsch ist, die Ausgegrenzten und ihren „Kampf um Anerkennung“ als ständiges historisches Fortschrittsmoment zu bestimmen. Indem er das tut, macht er dem Gesetzesglauben doch wieder ein Zugeständnis, und dass er es halb verdeckt, macht die Operation nicht besser. Er fährt nämlich fort, nicht durch die Ausgegrenzten selber werde die Geschichte vorangetrieben, sondern durch die Beobachtung Anderer, dass aus dem Anerkennungskampf immer wieder neue Institutionen hervorgingen, die einer Linie des Fortschritts folgten. Diese Anderen findet er in „der Öffentlichkeit“ und man geht vielleicht nicht fehl, die SPD dahinter zu vermuten.
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Bevor ich mit Vogl fortfahre, will ich in diesem Abschnitt ein mögliches Missverständnis ausräumen und im nächsten das Analyse-Zwischenergebnis etwas abschwächen. Das mögliche Missverständnis betrifft den Begriff Nihilismus und die Formulierung, es müsse oder müsste „etwas gesetzt“ werden, das aus ihm herausführen kann, hin zu einer neuen, der Anderen Gesellschaft. Nihilismus und neue Setzung, das ist in Nietzsches Sprache gesprochen. Die Fassung des Nihilismusbegriffs bei Nietzsche möchte ich festhalten. Wenn einer Gesellschaft die obersten Werte, die übergreifenden Ziele verloren gegangen sind, dann, so der Philosoph, ist sie nihilistisch geworden. Das ist ja unsere Situation: Oben und übergreifend haben wir das unendliche „Wachstum“ der „Wirtschaft“, sprich des Kapitals – alle daneben in Sonntagsreden behaupteten Werte sind ihm untergeordnet und müssen im Zweifel hintanstehen, so dass sie den herrschenden Nihilismus nicht etwa einschränken, sondern vielmehr tagtäglich unter Beweis stellen -, und es ist eben gerade das Unendliche, die E n d l o s i g k e i t also und damit die Z i e l l o s i g k e i t , die im gesellschaftlichen Überbau der kapitalistischen Verhältnisse zum Bewusstsein kommt oder ins Unbewusste dringt.
Die alten Griechen haben noch gewusst, dass ein Ziel jedenfalls auch ein Ende ist, die Voll-Endung nämlich des Weges, das zu ihm führen soll oder schon geführt hat, und dass daher eine Gesellschaft, die nicht werden will, was Nietzsche nihilistisch nennt, ihre Endlichkeiten einräumen und mit ihnen umgehen können muss. Sie hatten für Ende und Ziel e i n Wort: Telos. In der Analyse des Peloponnesischen Krieges durch Thukydides spielt dies Wissen eine große Rolle: Es graust einen geradezu, wenn man mitansieht, wie und auf welche Weise die Athener alle Chancen, den Krieg als Sieger zu beenden, was doch ihr Ziel war, aus dem Wahn heraus ausschlugen, ihr Sieg könne noch immer mehr gesteigert werden – und wie deshalb alles auf ihre Niederlage hinauslief.
Das ist, was ich festhalte. Was ich nicht festhalte, ist Nietzsches abstrakte Vorstellung vom „Setzen“ des Neuen, das aus einer nihilistischen Situation soll herausführen können. In der Fassung einer Diskursanalyse, über die er noch nicht verfügte, kann die Überwindung des Nihilismus konkreter gefasst werden. Sie ist Erarbeitung einer neuen geschichtsmächtigen Fragestellung aus dem Scheitern der alten heraus. Die Hauptfrage der Neuzeit, zuletzt zugespitzt zur Kapitallogik, war und ist immer noch die Suche nach der vollendeten Unendlichkeit (des Mehrwerts im Fall des Kapitals). Dass sie unbeantwortbar geworden ist, weil alle halbwegs plausiblen Antworten gegeben wurden und weitere nicht mehr zu erwarten sind – denn „intelligente Tapeten“ sind eher ein Witz und der Ersatz des Menschen durch Künstliche Intelligenz wäre ein Verbrechen -, darin besteht die nihilistische Situation. Wo Nietzsche sagt, die obersten Werte oder Ziele sind unbrauchbar geworden, sage ich, die o b e r s t e F r a g e kann nicht mehr „zielführend“ beantwortet werden.
Ich will es simpel illustrieren: Jemand geht abends ins Kino und fragt, wann die Spätvorstellung anfängt. 23 Uhr oder 23 Uhr 15? Er hat es vergessen und ein Plakat hängt nicht aus. Nun gibt es aber eine Bombendrohung, daher kann die Frage nicht so, wie sie gestellt wurde, beantwortet werden. Wann es anfängt? Es fängt nicht an. Es fällt aus. Die so bezeichnete Situation vergleiche ich mit der nihilistischen und modelliere diese mit jener. Mithilfe des Modells begreife ich dann, dass ich aus so einer Situation auch wieder herausfinden kann, und zwar auf rationale Weise. Ein Gott freilich würde den Ausweg als creatio ex nihilo „setzen“. Ich muss aber keiner sein oder auf einen hoffen. Im Moment zwar ist der Kinobesucher ratlos. Er steht vor einer Tür, die nicht geöffnet werden wird! Er kann aber fragen, was an der Frage falsch war, die ihn dahin geführt hat. Sie hat sich als konfus erwiesen. Sie war es nicht von Anfang an, ist es aber geworden. J e t z t stellt sich heraus, dass drei Fragen in ihr vermischt waren, nämlich erstens, ob die Spätvorstellung anfängt, zweitens, wenn ja, wann sie anfängt, und drittens, w e n n n e i n , was der Fragende stattdessen unternimmt. Hätte er alle Fragen vorab gestellt, er wäre nicht eine Sekunde unschlüssig, sondern würde sich erinnern: W e n n n e i n , wollte ich dahin gehen oder dorthin oder… Er konnte das freilich nicht tun, denn die Bombendrohung war nicht zu erwarten gewesen. Aber dann stellt er die Frage eben jetzt.
Kurzum, ich komme aus der Lage, vor verschlossener Tür zu stehen, dadurch heraus, dass ich zu der Frage zurückgehe, die mich dahin geführt hat. Ich löse sie in die Vielheit der Fragen auf, die in ihr überlagert sind, und gewinne derart eine neue Frage, auf die sich wieder plausibel antworten lässt.
Nach diesem Modell wurde hier in der Blogreihe die von der Kapitallogik und dem ersten marxistischen Ausbruchsversuch gestiftete nihilistische Situation aufgelöst. Wie man die Kapitallogik als solche auflöst, hatten schon die Marxisten, die den ersten Versuch unternahmen, im Grundsatz begriffen. Gegen die unendliche Kapitallogik setzten sie Planwirtschaft. Ein Plan fasst Ziele zusammen und bestimmt die zu ihnen führenden Wege. Da Ziele Enden sind, wurde also eine endliche gegen eine unendliche Ökonomie gesetzt. Als Alternative zur Kapitallogik verstanden sie Planwirtschaft aber derart, dass sie glaubten die Frage beantworten zu müssen, wie der Markt (das Ware-Geld-Verhältnis) u n d d a m i t das Kapital beseitigt werden könne. Diese Frage war hier in der Blogreihe aufzulösen: Beseitigt man das Kapital dadurch, dass man den Markt beseitigt? Wenn ja, wie beseitigt man den Markt? Wenn nein, wie beseitigt man das Kapital, o h n e den Markt zu beseitigen? Die dritte Frage liegt der Reihe zugrunde, wobei ich, um es noch einmal zu sagen, durchaus nicht der Einzige bin, der so fragt.
Vorher war der Reale Sozialismus nie darüber hinausgelangt, sich die zweite Frage zu stellen: Wie beseitigt man den Markt – ohne die Vorteile des Markts einzubüßen? Die Antworten, die gegeben wurden, liefen zunehmend auf „ein bisschen Markt“ hinaus. Das reichte nicht und weiter kam man nicht. Denn als sich 1968 die CSSR anschickte, die dritte Frage zu beantworten, musste man diesen Versuch zerschlagen, weil seine Durchführung den Übergang zur ökonomischen und politischen Demokratie bedeutet hätte. Nicht erst 1990, 1968 war das Jahr, in dem sich der Reale Sozialismus selber vernichtete.
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Das mögliche Missverständnis, dem Nihilismus könne man nur durch creatio ex nihilo entkommen, sollte damit ausgeräumt sein. Nun zur Abschwächung des Analyse-Zwischenergebnisses, dass „Marx dem historischen Gesetzesglauben noch anhing“. Wir brauchen den Gedankengang nur fortzusetzen: Die Frage, welches denn die historische Fragestellung ist, die uns als unbeantwortbar gewordene in den Nihilismus gebracht hat, ist noch nicht hinreichend beantwortet. Im Allgemeinen bleibe ich dabei, die Neuzeit sucht grob gesagt die aktuale Unendlichkeit. Aber wir wollen spezieller die Kapitallogik brechen. Wo und wann ist die kapitallogische Gestalt der Suche erschienen? Da können wir mit Honneths Hilfe eine überraschende Entdeckung machen: Bei Henri de Saint-Simon, einem Frühsozialisten. Honneth selbst begreift gar nicht, was er da entdeckt.
Doch er zeichnet es auf. Die Arbeiterklasse, die Saint-Simon befreien wollte, schloss bis hin zum Manager alle ein, die mit Arbeit zu tun hatten. Wie aber später Marx zeigt, sind die Manager die fungierenden Kapitalisten. Und tatsächlich hat der Frühsozialist eine eher kapitalistische Utopie entworfen. Er stellt sich vor, dass die Gesellschaft durch ihre Zentralbank gestaltet wird, indem diese die vernünftigen Kredite zum Produzieren vergibt. Die Idee wurde später von Napoleon III. aufgegriffen, der zu Saint-Simons Anhängern zählte. Einer politischen Demokratie bedurfte es da nicht. Was vernünftig ist, soll sich nämlich danach entscheiden, was Wissenschaft und Technik im Selbstlauf hervorbringen. Dem wiederum habe sich die Evolution der sozialen Verhältnisse anzupassen. Und damit hat Saint-Simon ein historisches Gesetz behauptet: gesellschaftliche Evolution infolge der technischen Evolution. Die letztere erscheint schon für sich genommen als ein von außen hereinbrechendes Gesetz, das die Manager, also die Kapitalisten, nur umsetzen. Sie und die ganze Gesellschaft stehen unter dem gesetzlichen Zwang, dass das geschehen muss.
Das ist es genau, was Vogl als kapitalistische Ideologie entlarvt, der wir entgegentreten müssen. Wir erleben zur Zeit das Unplausibelwerden des Saint-Simonschen Kapitalismus. M a r x indessen als G e g n e r des Kapitalismus, und auf diese Pointe will ich hinaus, hängt dem historischen Gesetzesglauben w e i t w e n i g e r an, als der Kapitalismus selbst ihm verpflichtet ist. Es ist daher ungerecht und irreführend, immer wieder i h n dafür anzuklagen, statt dass man sich selbst anklagt. Zu seiner Zeit war Marx doch eher einer der Wenigen, die sich von dem Glauben l ö s t e n , zu lösen begannen. Gewiss hat er nicht alle Spuren getilgt. Aber so dick wie Honneth, dem der Saint-Simonismus des heutigen Kapitals nicht auffällt, darf man sie nicht auftragen. Gut, Marx meinte, die Gesellschaft werde künftig von der Wissenschaft geleitet werden. Aber die Stelle in den Grundrissen, wo er das sagt, spricht allgemeiner vom general intellect der Gesellschaft. Nicht die Wissenschaftler als Kaste, sondern die Gesellschaft soll leiten. Auch wenn Marx Geschichte auf Klassenkampf zu reduzieren scheint, notiert er zugleich den Zweifel: Die altrömische Geschichte habe gezeigt, dass auch der gemeinsame Untergang aller kämpfenden Klassen herauskommen könne.
Die Grundvorstellung, die er von Geschichte hat, ist nicht gesetzeskonform. Sie ist in der Deutschen Ideologie festgehalten, einer Frühschrift bereits: Jeder nächste geschichtliche Schritt, besagt sie, muss sich im Rahmen dessen bewegen, was der dann vorhandene geschichtliche Zustand m ö g l i c h m a c h t . Das ist nun gerade das Gegenteil der Vorstellung geschichtlicher Gesetze. Denn ein Gesetz hält fest, was notwendig geschehen muss. Das Notwendige ist auch möglich, aber das Mögliche nicht schon notwendig! Ein geschichtlicher Zustand macht Mehreres möglich. Wenn er nihilistisch geworden ist, ermöglicht er mehrere Antworten auf die neue Fragestellung, die man durch die Auflösung der Konfusion der alten gescheiterten gewinnt. Nur muss sich die Antwort im Rahmen des auch „materiell“ Möglichen halten. Diese Notwendigkeit bleibt. Aristotelisch gesprochen, wird dynamei on, In-Möglichkeit-Sein, durch kata ton dynaton, nach Möglichkeit, begrenzt. Längst schon, mit Ernst Bloch nämlich, ist der Marxismus dahin gekommen, es so formulieren zu können. Und ist damit all denen immer noch überlegen, die vom Gesetzesglauben nur ins andere Extrem, den totalen Kontingenzglauben, fallen, was sie im Übrigen nicht abhält, alle technischen Folgen des k a p i t a l i s t i s c h e n Gesetzesglaubens wehrlos zu schlucken.
Marx selbst hat sich der Blochschen Terminologie noch nicht bedienen können. Doch wir lesen in der Deutschen Ideologie, dass in der Geschichte „auf jeder Stufe ein materielles Resultat […] sich vorfindet, die jeder Generation von ihrer Vorgängerin überliefert wird“ und „die zwar einerseits von der neuen Generation modifiziert wird, ihr aber auch andererseits ihre eignen Lebensbedingungen vorschreibt“ (die B e d i n g u n g e n also nur) „und ihr eine bestimmte Entwicklung, einen speziellen Charakter gibt – dass also die Umstände ebensosehr die Menschen, wie die Menschen die Umstände machen“ (MEW 3, S. 38). Man kann es heute deutlicher sagen, doch es ist deutlich genug.
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Schon allein auf die Ausgegrenzten zu setzen, macht dem geschichtlichen Gesetzesglauben ein zu großes Zugeständnis. Erst recht die Hoffnung aufs Proletariat. Was setzt Vogl dagegen? „Die Perspektive, um die sich das ‚revolutionäre Subjekt‘ gruppiert, ist jedenfalls in keiner Weise zufällig oder beliebig, sondern strukturell vorgegeben und eindeutig.“ Unter der vorgegebenen Struktur können aber nicht etwa die proletarischen Lebensbedingungen verstanden werden:
„Es ist nichts als der Bezug auf die neue gesellschaftliche Organisationslogik, deren Grundaussage klar ist: ‚Revolutionäre Subjekte‘ sind die, die angesichts der historisch neuen, strukturellen und existenziellen Gefährdung des Lebens durch unser Gesellschaftssystem die Möglichkeit der gesellschaftlichen Zielsetzung des Wirtschaftens in demokratischer Diskussion und in institutionalisierter Entscheidung anstreben. Gerade weil es keine Gesetzmäßigkeit der Entwicklung des Neuen aus dem Alten gibt, ist seine Begründung aus dem elementaren gemeinsamen Interesse der Sicherung der Lebensmöglichkeit und seine Fokussierung auf die Herstellung des entsprechenden institutionellen Rahmens unabdingbar. Die objektive Aufgabe verbindet die Vertreter des Neuen, keine sonstige objektive Struktur.“
Oben war vom „Gewicht der Verantwortung derjenigen, die die neue Logik tragen“, die Rede gewesen. Nichts, was schon da ist, bringt sie von selbst hervor, es gibt aber eine Zukunft, der sie sich verpflichten. Was schon da ist, sind Gefahren. Auch dass sie beseitigt werden, versteht sich nicht von selbst, aber es ist möglich. Man kann es a l s P r o b l e m erkennen und sich die Aufgabe, es zu lösen, zu eigen machen. Das Problem ist nicht gerade ein Stützpunkt für Handelnde, aber es ist objektiv – die Handelnden denken es sich nicht aus. Wie kann die Lebensmöglichkeit gesichert werden, stellt Vogl die Frage, zu der die Antwort „Zielsetzung des Wirtschaftens in demokratischer Diskussion und in institutionalisierter Entscheidung“, also „Marktwahlen“ (der Ausdruck fällt in diesem Aufsatz nicht), gehört. Und so verhält es sich, denn der erste Beschluss, den die Andere Gesellschaft in Wahlen fasst und mit dem sie sich konstituiert, ist ihre Selbstverpflichtung, dass alle Ökonomie d i e G r e n z e n der gerade noch tolerierbaren ökologischen Belastung – des „Umweltraums“, der dieser Teilgesellschaft der Weltgesellschaft prozentual zusteht -, niemals überschreiten wird. Nachdem das geschehen ist, finden in Abständen Proportionswahlen statt, in denen über d i e A u f t e i l u n g des Umweltraums entschieden wird.
Wichtig finde ich noch, dass Vogl solche Wahlen als institutionalisierte gesellschaftliche Zielsetzung aus dem, was ich oben nihilistische Situation nannte, direkt ableitet: Kein Geschichtsgesetz sorgt dafür, also gibt es entweder keine Zielsetzung – keine plausible jedenfalls mehr, auch keine ungefährliche – oder wir ermächtigen uns selbst, sie zu wählen und zu beschließen. Bevor aber die Gesellschaft sich als dieses „Wir“ konstituiert, muss eine bloße Gruppe sich zu ihrer Herbeiführung ermächtigen. Bodenlos. Das ist die Schwierigkeit. Und hier möchte ich eine Überlegung hinzufügen. Warum glaubt man denn überhaupt, dass es prekär sei, sich selbst ermächtigen zu müssen? Warum würde man es für sicherer halten, wenn eine Klasse vorhanden wäre, der die revolutionäre Aufgabe schon in die Wiege gelegt ist, nur dass man leider keine entdeckt – die Hoffnung von früher enttäuscht sieht, es sei die Arbeiterklasse? Ich meine, dass hier ein Denkfehler verwirrt.
Die Arbeiterklasse war doch nicht deshalb der erwünschte Kandidat, die gesellschaftliche Umwälzung zu vollbringen, weil sie sich dafür so überaus eignete. Sondern gerade umgekehrt deshalb, weil n i c h t s a n d e r e s ü b r i g b l i e b . Es gab nämlich, als die Idee aufkam, noch keine hinreichende Demokratie. Politische Wahlen hatte das Bürgertum zwar erkämpft, doch nur für sich selbst und nur für Männer, einen kleinen Bruchteil der Gesellschaft. Ein Internet gab es auch noch nicht, durch das sich Veränderungswillige hätten zusammenschließen können. Ja, selbst die materielle Verkehrsstruktur war bescheiden. Wer konnte sich schon ein Pferd leisten? Da stellt sich die Frage, wie und wem ein Zusammenschluss zum politischen Subjekt denn überhaupt gelingen konnte. Und d a r a u f ist zu antworten, dass es einer Klasse bedurfte, die ohnehin, durch die Bedingungen ihres Klasse-Seins, zusammen war. Das konnte nicht von jeder Klasse gesagt werden. Die Bauern lebten zerstreut und ortsgebunden. Anders stand es mit dem Bürgertum, das in Städten konzentriert und zugleich mobil war und das sich eine Literatur schaffen konnte, die ortsübergreifend gelesen wurde. Das war hinreichend, die bürgerliche Revolution zum Erfolg zu führen. Anders stand es auch mit der Arbeiterklasse. Sie war ein revolutionsfähiges Subjekt, weil sie in Fabriken konzentriert war. Übrigens auch deshalb, weil es mobile Bürger und „Kleinbürger“ gab – wie Marx und Engels zum Beispiel -, die an einzelne Fabriken n i c h t gebunden waren. Die Bedeutung dessen wird häufig übersehen.
Dass sich die Frage des erforderlichen assoziierten Subjekts grundlegend anders stellt, sobald es hinreichende Demokratie gibt, haben Marx und Engels, als es so weit war, durchaus gesehen. Sie setzten auf den Parlamentarismus des Reichstags nach 1871. War doch schon vorher immer klar gewesen, dass sie aufs Proletariat auch deshalb setzten, weil sie in ihm die überwältigende gesellschaftliche Mehrheit gegen das „kleine Häuflein“ der Kapitalisten sahen. Lenin hat den Zusammenhang nicht begriffen – verständlicherweise, weil Russland der hinreichenden Demokratie ja ermangelte. „Hinreichend“ heißt hier immer nur „hinreichend, den Zusammenschluss zu ermöglichen“. Wie sieht es nun heute aus? Bestehen nicht inzwischen die allerbesten Bedingungen? Muss man um denselben Baum oder Hochofen herum leben, um sich zusammenschließen zu können? Keineswegs.
Aus keinem anderen Grund war das Proletariat ein assoziiertes geschichtsmächtiges Subjekt, als weil es sich zusammenschließen konnte, und aus keinem anderen Grund schloss es sich zusammen, als weil ihm ein Problem vorgegeben war – das in seiner eigenen Existenz bestand – und ihm die Lösungsidee einleuchtete. Das waren die einzigen notwendigen Bedingungen, unter denen sich ein revolutionäres Subjekt bilden konnte. Beide Bedingungen sind heute gegeben, ohne dass es noch eines Proletariats oder überhaupt irgendeiner Klasse bedarf, die sich als Klasse zusammenschließt. Und vergessen wir nicht: Die Lösungsidee, wie sie seinerzeit in proletarischen Ohren klang, enthielt diese falsche Annahme eines geschichtlichen Gesetzes, dem man zu gehorchen und sich gerade deshalb zusammenzuschließen habe. Sicher erleichterte das den Zusammenschluss, und sicher steht uns eine solche Erleichterung heute nicht mehr zur Verfügung. Aber wie es den Zusammenschluss erleichterte, erschwerte es den revolutionären Sieg, weil es Illusionen schuf, die zerbrechen mussten. Ist es nicht auch ein Glück, dass wir darüber hinaus sind?
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Wenn es auch keine gesellschaftliche Gruppe gibt, die als ohnehin vorhandene zum revolutionären Subjekt schon taugt, so sind doch gesellschaftliche Gruppen vorhanden und können nicht übersprungen werden. Und ja, namentlich die Arbeiterklasse muss in einem revolutionären Konzept Berücksichtigung finden. Schon weil es unmöglich ist, die Produktion an den Produzenten vorbei umzustrukturieren. So viel habe ich in der Blogreihe berücksichtigt. Die Produzenten, Arbeiter wie Unternehmer, reden mit, schrieb ich, wenn die Umsetzung des Ergebnisses einer Proportionswahl ansteht. Eine andere Seite der Sache finden wir bei Vogl. Warum konnte es schon seinerzeit gelingen – als es darum ging, die Klasse als reformistisches und revolutionäres Subjekt zu konstituieren -, sie so a n z u s p r e c h e n (sei es von außen oder im Umgang ihrer Individuen miteinander), dass die zur Konstitution erforderlichen Ideen Gehör fanden? Sie fanden deshalb Gehör, antwortet Vogl, weil etwas an den Ideen war, das den Lebensbedingungen der Angesprochenen entsprach: „Die alltägliche Unsicherheit und die Hoffnungen […] waren in eine Perspektive der Sicherheit eingebettet.“
Vogl zeigt, dass Arbeitende deshalb noch heute Grund haben, sich an die ganz und gar unrevolutionär gewordene SPD zu halten. Die Unsicherheit der Arbeits- und damit Lebensbedingungen wird ja noch immer größer, wer wird es da verschmähen, dass die Partei etwa einen Mindestlohn durchsetzt. Sicherheit der Lebensmöglichkeit war aber auch Vogls Umschreibung des ökologischen Ziels gewesen. Und so sieht man, gerade die Arbeitenden hätten Grund, sich in den Kampf dafür einzureihen. Dass sie nicht nur an sich selbst denken, sondern auch an die Kinder und Kindeskinder, wird man voraussetzen dürfen. Was sie wahrscheinlich eher hindert, ist dass sie dem Einfluss der kapitalistischen Ideologie besonders ausgesetzt sind. Denn gerade auf den antiökologischen Knackpunkt, das unendliche Wirtschafts“wachstum“, müssen sie heute ihre Hoffnung auf dauerhafte Beschäftigung setzen. Dass es ein Grundeinkommen geben könnte, als unverdiente Belohnung, wie es ihnen noch scheint, eines Leben ohne Betätigung, geht ihnen schwer in den Kopf. Gleichwohl ist die Brücke da: Die Sicherung des je eigenen Lebens und des Lebens der Kinder setzt die ökologische Sicherung voraus. Es ist bestimmt nicht unmöglich, das zu kommunizieren. „Parteien der Arbeiterschaft“, so Vogl,
„müssen gemeinschaftliche, politische Lösungen gegen die ständig erneute Verunsicherung und in diesem Sinne Ziele anbieten. Diese Ziele werden nicht beliebig sein, sondern der grundlegenden Situation der Arbeiter als der großen Bevölkerungsmehrheit entspringen: soziale und ökologische Absicherung des eigenen Lebens und der Perspektiven der nächsten Generationen. Was im demokratischen Prozess der Mehrheitsbildung erreicht werden kann, hängt entscheidend davon ab, ob die Gesellschaft, ihre Intellektuellen also, es schafft, sich selbst über den gesellschaftlichen Mythos der ständig erweiterten Produktion von Reichtum, den Mythos des Kapitals aufzuklären. Erste Bedingung hierfür ist, dass die Arbeiterpartei ihren Wählern sagt, dass sie in einem extrem reichen Land leben.“
Die Frage, ob es (vor allem) Parteien sein werden, lassen wir hier beiseite. Wenn es gar die SPD soll werden können, müsste sich diese Partei schon sehr verändern. Wie sie heute ist, verhält sie sich als antiökologische Barriere, gerade was ihr Verhältnis zu den Arbeitenden angeht. Sie versucht nämlich faktisch immerzu, die Arbeitenden in ihrer kapitalistischen Funktion festzunageln. Dafür ist gerade der Mindestlohn ein Beispiel. So sehr man ihn begrüßt: Wenn alles, was für Arbeitende getan wird, von dieser Art ist, dann gelten sie noch gar nicht für Menschen. Reduzieren sie denn alles auf Arbeit? Haben sie für Sachen über die Arbeit hinaus kein Urteil? Vielleicht sollen sie keins haben?
In einer Fußnote gibt Vogl an, sein Aufsatz sei in Auseinandersetzung mit einem Aufsatz von mir entstanden. Tatsächlich hatte sich mein Text Wir Kleinbürger. Zur Kommunizierbarkeit eines sozialökologischen Programms in der Klassengesellschaft (in Kommune 4/2009, S. 69 ff.) mit der Frage der Ansprechbarkeit der Klassen, darunter der Arbeiterklasse schon kurz befasst. Ich möchte diese Passage abschließend zitieren. Es geht nicht darum, die Klassen als Klassen zusammenzuschließen. Unsere Perspektive ist die klassenlose Gesellschaft, in der also nur das Individuum zählt. Daher legen wir auch heute schon das „revolutionäre Subjekt“ als Assoziation von Individuen an. Diese aber sind Klassenindividuen und das muss im revolutionären Konzept Berücksichtigung finden. Hier meine damaligen Überlegungen, angestellt zu einer Zeit, als die Blogreihe zur Anderen Gesellschaft schon lief:
„Die Kommunizierung der ökologischen Botschaft wird auf die Infragestellung der Produktionsweise der drei Klassen zielen. Das Medium, in dem sich die Kommunikation bewegt, und zugleich deren Thema werden die (Un-)endlichkeitsdiskurse sein.
Ökologie hat den Klassen Verschiedenes zu sagen. Den Arbeitern, um mit ihnen zu beginnen, dass sie die Realität des unendlichen Sogs zur Kenntnis nehmen möchten. Ihre gegenwärtige Verkleinbürgerlichung, die sich um Eigenheim, Tourismus oder Auto dreht, läuft in der Tat noch auf ‚geistige Beschränktheit‘ hinaus. In der Freizeit ist der Zielwille der Arbeiter kommerziell eingehegt. Er passt nicht zur Unendlichkeit, der sie sich in der Produktion unterwerfen. Dieser Widerspruch müsste der kommunikative Anknüpfungspunkt sein, statt dass man zuschaut, wie die Freizeit-Situation geistig und praktisch als Ideologie funktionieren kann. Ökologie braucht Ziele. Sie ist das, was sich dem schlechten Selbstlauf entgegenstemmt. Es ginge darum, die Gleichgültigkeit der Arbeiter gegen die Ziele ihrer Produktion zu brechen.
Der Ort, wo es vor allem zu geschehen hätte, ist das Parlament, denn dort ist die Arbeiterklasse institutionalisiert […]. Man muss sich immer vor Augen halten, dass keine Parlamentspartei Anhänger und Wähler haben kann, die nicht mehrheitlich Arbeiter wären. Es kann unter diesem Aspekt keine bevorzugte Koalitionspartei geben. Jede Partei muss über die Frage der Produktionsziele zur Rede gestellt werden.
Den Kleinbürgern ist zu sagen, dass sie ihrer Aufgabe, die intellektuelle Funktion zu realisieren, gerecht werden sollen. Wir haben gesehen, wie groß ihr Einfluss in allen Staatsapparaten ist – trotz ihrer geringen Zahl. Dem Staat nun, wenn er als der Ort der Politik aufgefasst wird, wäre nach der Soziologie von Parsons die Zielfunktion zuzuschreiben, so dass man sagen könnte, die Kleinbürger befinden sich dort, wohin sie gehören. Doch der Staat setzt nicht die ‚richtigen‘ Ziele. An der Ökologie zeigt sich das so handgreiflich, dass ich es nicht weiter ausführen muss.
Von Kleinbürgern, wenn man sie anspricht, wäre daher zweierlei zu verlangen. Erstens dass sie auf Beteiligung der ganzen Gesellschaft an radikaler kreativer Politik dringen. Zweitens sollen sie das Ihre zur Veränderung der Staatsziele beitragen. Denken wir in diesem Zusammenhang auch an die kleinbürgerlichen Intellektuellen, die sich abseits vom Staat halten, ihn von außen kritisch beurteilen. Sie sind aufgefordert, letzteres wieder vermehrt zu tun, denn seit Jahren hört man wenig von ihnen.
Wir sehen nun schon, ein und dieselbe ökologische Botschaft muss zu ganz verschiedenen, ja direkt gegensätzlichen Ansprachen führen, je nachdem ob sie an Kleinbürger oder Arbeiter adressiert wird. Es geht in beiden Fällen um das ‚richtige‘ Zielbewusstsein, aber im einen Fall handelt es sich darum, den entscheidenden Anwendungsbereich nicht auszublenden (nämlich die Produktionssphäre), im andern darum, die Ziele zu verändern (Bewusstsein ihrer Bedeutung ist hier vorhanden). Noch wieder anders wäre mit den Kapitalisten als der herrschenden Klasse, dem ‚Machtblock‘, wie Nicos Poulantzas es nannte, zu kommunizieren. […] Man muss versuchen, in ihm eine Fraktion hervorzurufen, die das unendliche Wachstum nicht mehr freiwillig betreibt – ein Unternehmertum, das aufhört, der Selbstverwertung des Kapitals dienen zu wollen, das vielmehr bereit ist, sich auf die neue Rolle eines Dienstleisters der Gesellschaft einzulassen.“