(82) „Der Finanzplatz schürte die Erwartungen“

6. Umbau der Marktmaschine: Die Einbettung in Wahlen und Verhandlungen / Vierter Teil – Vor der Erörterung von Proportionswahlen: Zugehörige neue, nicht mehr kapitalistische ökonomische Institutionen

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In dem Kapitel, das hier beginnt, will ich einzelne Umbauten erörtern, durch welche die Marktmaschine für die Andere Gesellschaft tauglich gemacht werden kann. Es geht um vier Ziele: Austrocknung der Krisengefahr; Umbau des Verhältnisses zum Grund und Boden und seinen Schätzen; ein anderes Verständnis und eine andere Praxis von „Konkurrenz“; neue Spielregeln hinsichtlich des Geschäftsgeheimnisses (wir werden dessen weitgehende Abschaffung in Erwägung ziehen). Das Thema Umbau des Geldes schiebe ich noch auf, es verdient ein eigenes Kapitel. Das Thema Arbeit wurde schon behandelt: Die Marktmaschine wird dahin umgebaut, dass die Menschen nicht mehr gezwungen sind, ihre Arbeitskraft als Ware anzubieten.

Die heutige Notiz und die nächste gelten der Austrocknung der Krisengefahr. Sie nehmen auch auf, was in der 79. Notiz angekündigt wurde: eine kritische Betrachtung des  A n g l e i c h u n g s d i s k u r s e s  der Marktmaschine. Es wurde ja noch nicht gezeigt, worin er, „eingebettet“ in den dominanten Antwortdiskurs der Anderen Gesellschaft, anderen Regeln folgt als heute. Wie sich noch zeigen wird, hängen die beiden Fragen, Austrocknung der Krisengefahr und Veränderung des Angleichungsdiskurses, nicht nur zusammen, sondern sind dasselbe. Warum ist es überhaupt sinnvoll, von einem Angleichungsdiskurs zu sprechen? Weil die Herausbildung des „Gleichgewichtspreises“ das ist, worauf die Marktmaschine zielt; weil er so herausgebildet wird, dass die beteiligten Käufer und Verkäufer sich ihm in Suchbewegungen annähern oder eben angleichen, „wie bei einer Auktion“; weil diese Suchbewegungen sich gleichungsmathematisch als Suche nach dem „Grenznutzen“ modellieren lassen.

Es kommt hierbei nicht darauf an, ob „der“ Gleichgewichtspreis je erreicht wird und wie man das überhaupt feststellen wollte. Ein regulatives Prinzip, das seinen guten Sinn hat, ist er nämlich auf jeden Fall. Der Gleichgewichtspreis wäre dann erreicht, wenn von den zu konsumierenden (Konsum- oder Investitions-) Gütern gerade so viel angeboten würde, wie kaufkräftig nachgefragt worden wäre. In diesem Fall wären die „Lager“ leergeräumt und die Käufer hätten kein überschüssiges zum Konsum bestimmtes Geld. Weil es immer sinnvoll ist, einen solchen Zustand anzustreben, und gut, wenn er annähernd oder tendenziell erreicht wird, ist auch der Begriff des Gleichgewichtspreises sinnvoll, der das virtuelle Ziel solchen Strebens bezeichnet.

Eben deshalb fällt es auch nicht ins Gewicht, dass man nur die Suchbewegungen, nicht aber das Gleichgewicht selber zum Gegenstand einer  e m p i r i s c h e n  Wissenschaft machen kann. Hierzu gibt es einen eigenen Forschungszweig: „Allmählich“, lesen wir in der Einleitung des Sammelbands Evolution und Selbstorganisation in der Ökonomie (Hg. Frank Schweizer und Gerald Silverberg, Berlin 1998), „setzt sich die Erkenntnis durch, dass die Ökonomie eher durch Nichtgleichgewicht, eingeschränkte Rationalität, Interaktion und Prozessualität charakterisiert ist als durch Gleichgewicht und Stationarität, vollkommene Rationalität, repräsentative Agenten und vollkommene Konkurrenz.“ (S. 7; vgl. bes. den Aufsatz von Peter Weise, Der Preismechanismus als ökonomischer Selbstorganisationsprozess, S. 315-331) Ja, das stimmt, die Ökonomie ist „eher durch Nichtgleichgewicht charakterisiert“. Aber sie  s o l l t e  es nicht sein – und da wir hier nicht von einer Natur sprechen, sondern von einer Maschine, ist das, was sie „sollte“, im Unterschied zu dem, was sie empirisch ist, auch wirklich der springende Punkt. Denn eine kaputte Maschine „sollte“ repariert werden. Sinnlos wäre es, sie zum Gegenstand einer philosophischen, religiösen oder sei’s auch empirisch unterfütterten Meditation zu machen.

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Wir treffen die Sache aber nicht ganz, wenn wir von einer „kaputten Maschine“ sprechen, es sei denn, wir halten eine Maschine für möglich, die nicht erst durch ihren Verschleiß defekt wird, sondern es schon durch ihre Erfindung ist – so dass erst aus ihrem Umbau die heile, funktionsfähige Maschine überhaupt hervorginge. Das ist es, womit wir es hier zu tun haben. Die Maschine, wie sie kapitalistisch erfunden wurde, führt notwendig Ungleichgewichte herbei. Deshalb muss sie dahin umgebaut werden, dass sie tendenziell Gleichgewichte herbeiführt.

Ich befasse mich hier allein mit  d e m  Ungleichgewicht, das sich als schwere Wirtschaftskrise manifestiert. Es soll erst einmal, in dieser 82. Notiz, nur dargestellt werden. Die Maschine ist kaputt: Deshalb führen die genannten Suchbewegungen, beginnend jeweils bei Ungleichgewichtspreisen, notwendig immer wieder zur Krise statt immer tendenziell zum Gleichgewichtspreis. Das Problem entsteht dadurch, dass Preise nicht nur einen punktuellen, transitorischen Gleichgewichts- oder Ungleichgewichtszustand, sondern auch eine Tendenz zeigen. Sie steigen, sinken oder bleiben ungefähr gleich. Wer ihre Entwicklung verfolgt, kann das sehen. Und nun wird der „rationale“ Unternehmer nicht nur aus dem Zustand seine Schlüsse ziehen, der ohnehin nur ein Durchgangsmoment ist, dergestalt etwa, dass er produziert, wenn er sieht, dass der vorhandene Preis die Kosten des Produzierens hinreichend übersteigt, sondern er wird sich auch von der Beobachtung der Tendenz leiten lassen. Wenn er sieht, dass eine Nachfrage und mit ihr zusammen der Preis der nachgefragten Ware steigt, weitet er seine Produktion aus.

Man meint zunächst, das sei ja ganz unproblematisch. Ein Bäcker bemerkt, dass viele Leute noch Brötchen kaufen wollen, wenn er längst keine mehr hat. Und das, obwohl noch drei andere Bäcker im Stadtteil verkaufen. Die haben offenbar auch nicht genug Brötchen. Die Preisgewohnheiten auf dem Gebiet der Brötchen werden die Bäcker zwar hindern, diese Ware nun sehr viel teurer zu verkaufen, aber nehmen wir einmal an, sie tun es, denn bei vielen anderen Waren ist das die Konsequenz. Sie tun es aber nur übergangsweise. Vor allem produzieren sie mehr. Währenddessen kommen immer noch neue Leute, die Brötchen kaufen wollen. Es wird daher erst einmal noch teurer verkauft, die Produktion aber wird weiter ausgedehnt. Unser Bäcker stellt vorübergehend einen neuen Mitarbeiter ein, der schon erzielte Zusatzgewinn macht es möglich. Oder wenn nicht, leiht er bei seiner Hausbank, er sieht ja, dass auch die andern Bäcker den Brötchenpreis erhöhen, und schließt daraus, dass die Nachfrage immer noch steigen wird. Es wird kein Problem sein, den Bankkredit zurückzuzahlen.

Irgendwann indes hat er die Produktion zu sehr ausgedehnt. Ein Teil der Brötchen ist nun unverkäuflich und bleibt es, obwohl er den Preis senkt. Also stoppt er den Produktionszuwachs. Ein neues Völkchen, sagt er sich, muss in den Stadtteil umgezogen sein, aus irgendeinem Grund, und nun ist der Umzug wohl abgeschlossen. Der neue Mitarbeiter wird wieder entlassen. Vielleicht ist das nicht einmal nötig, denn das Völkchen ist ja nun einmal da und kauft weiter die Zusatzbrötchen. Die paar, die zu viel produziert wurden, fallen nicht ins Gewicht, weil der hier entstandene kleine Verlust durch den Gewinn beim Verkauf der vorausgegangenen Zusatzproduktion mehr als aufgewogen ist. Warum ist es ein  k l e i n e r  Verlust? Weil keine großen Wertsummen im Spiel sind. Aber auch weil unser Bäcker die Überproduktion schnell bemerkt. „Fünf Brötchen sind übrig“, sieht er, oder sogar: „Ein Brötchen ist übrig.“

Nebenbei gesagt, wäre das die von der Grenznutzentheorie modellierte Situation: ein Unternehmer, der beim ersten Zusatzelement angekommen ist, das keinen Zusatznutzen mehr bringt. Man sieht, wie sehr diese Theorie beruhigt, in deren Perspektive es fern liegt zu denken, dass unser Bäcker, sagen wir: fünf Millionen Zusatzbrötchen auf den Ladentisch legen muss, bevor er die Chance hat zu bemerken, dass schon das erste Element dieser Menge eins zu viel war. Gerade so verhält es sich aber bei der schweren Wirtschaftskrise.

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Hören wir Werner Plumpe, den Wirtschaftshistoriker, der die „’neuen Krisen‘, an die man sich zuerst in England etwa seit dem Ende der Napoleonischen Kriege zu gewöhnen begann“, wie folgt erklärt:

„Der über Preis- und Absatzerwartungen gesteuerte Aufschwung von Industrie und Handel löste kreditfinanzierte Investitions- und Expansionsprozesse aus, in deren Folge Preise und Zinsen von einem zunächst niedrigen Niveau bis zu einem bestimmten Punkt stiegen. Schließlich wurden die Absatzerwartungen nicht erfüllt, die Preise sanken, fällige Kredite konnten nicht mehr bedient werden, Insolvenzen traten ein, die sich kaskadenförmig ausdehnten und zu Arbeitslosigkeit und Fabrikschließungen führten. Die Insolvenzen nahmen insbesondere im Bankensektor stark zu. Die Banken suchten sich zu schützen und verliehen Geld nur noch zu restriktiven Bedingungen. Aufgrund hoher Zinsen war die Kreditfinanzierung in der Folge stark erschwert und die Finanz- und Gütermärkte wurden so blockiert. Dieser Abschwungprozess dauerte in der Regel so lange, bis die Preissenkungen aufhörten. Sinkende Zinsen signalisierten zugleich die wiederkehrende Bereitschaft der Banken, Kredite zu vergeben: Das Spiel begann von Neuem.“ (Wirtschaftskrisen. Geschichte und Gegenwart, München 2010, S. 45)

Wenn wir dann mit Plumpe die Krisen betrachten, die es tatsächlich gegeben hat, sehen wir, welcher Vervollständigung diese Krisenerklärung noch bedarf. „Der Aufschwung löst Expansionsprozesse aus“? Da muss man etwas genauer hinschauen. Die Krise Mitte der 1820er Jahre in England kam so zustande, dass

„große Gewinnmöglichkeiten […] in den 1823 unabhängig gewordenen Staaten Lateinamerikas lockten. Dabei war es der Finanzplatz London selbst, der diese Erwartungen schürte, denn zwischen 1822 und 1825 wurden in London zehn lateinamerikanische Anleihen im Gesamtumfang von 216 Mio. Pfund Sterling ausgegeben. Der Londoner Kapitalmarkt finanzierte so die südamerikanische Nachfrage nach englischen Industriegütern selbst. Man hoffte, doppelt zu profitieren, und zwar durch gewinnträchtige Exporte ebenso wie durch die Verzinsung der Staatsanleihen. In England setzte daraufhin ein Prozeß der spekulativen Expansion ein, […] der zudem durch Zinssenkungen der Bank von England angefeuert wurde. […] Im Ergebnis stellte sich nach und nach eine starke Anspannung der Kredite ein; es kam zu ‚Wechselreiterei‘, d.h. zur Ersetzung fälliger Wechsel durch neue Wechsel, bezogen auf andere Banken, um die Fälligkeitstermine aufschieben zu können. […] Doch im September 1825 zerplatzte die Blase, als die Preise zu sinken begannen, zahlreiche Kredite faul wurden und die Banken versuchten, ihre Außenstände einzutreiben.“ (S. 48 f.)

Es kommt also ein Moment herein, das in der allgemein formulierten Krisenerklärung fehlte:  D e r  F i n a n z p l a t z  L o n d o n  s c h ü r t  d i e  E r w a r t u n g e n . Das ist auch in unsere Geschichte von den Bäckern und Brötchen nicht eingegangen. Aus welchen Grund sollte die Hausbank der Bäcker deren Erwartung schüren, sie würden von immer mehr Brötchenkäufern heimgesucht? Und so erscheint uns das Verhalten des Londoner Finanzplatzes, wie Plumpe es schildert, als ein böser Zufall oder Missgriff, der besser unterblieben wäre. Nun ist es aber eigenartigerweise so, dass sich dasselbe Verhalten bei allen folgenden Krisen wiederholt.

1830er Jahre: „Die Masse der englischen Exporteure orientierte sich neben Kontinentaleuropa zunehmend an den Vereinigten Staaten,  w o b e i  d e r  L o n d o n e r  K a p i t a l m a r k t  die amerikanischen Importe finanzierte. […] 1834 und 1835 wiederholten sich […] die spekulativen Übertreibungen der 1820er Jahre“ (S. 49).

1840er Jahre: Neuerlicher Aufschwung, diesmal „ganz wesentlich von Investitionen im Eisenbahnbau, in der Schwerindustrie und im Textilgewerbe getragen“. „Der Boom in den USA wurde durch den  Z u f l u s s  b r i t i s c h e n  K a p i t a l s  gespeist, das damit erneut den britischen Export, wenn auch nicht mehr in dem Umfang wie in den 1820er und 1830er Jahren, finanzierte.“ Die Krise, die sich dann einstellte, war eine der Überproduktion und Unterkonsumtion. (S. 51)

1850er Jahre: „Das seit dem Beginn des Jahrhunderts bekannte Muster, dass  v o r  a l l e m  b r i t i s c h e  B a n k e n  und Handelshäuser den Warenexport nach Übersee finanzierten, war auch jetzt wieder zu erkennen.“ (S. 56) 1856 gab es „erste Anzeichen einer Überhitzung“ (S. 58).

1870er Jahre: „Wie in den 1850er Jahren wurden […] Eisenbahnprojekte ohne große Eizahlungen der Aktionäre begonnen und  ü b e r  A n l e i h e n  f i n a n z i e r t , die später aus den Einnahmen des Eisenbahnbetriebs gedeckt werden sollten.“ Bald aber begannen die Kurse zu stagnieren. Es folgte ein New Yorker Bankenzusammenbruch, der „schwere weltwirtschaftliche Auswirkungen“ hatte, „da  e u r o p ä i s c h e s  K a p i t a l  in großen Mengen im amerikanischen Eisenbahnsektor investiert war“ – nun also nicht mehr allein britisches Kapital. (S. 64 f.)

Lassen wir es hierbei bewenden. Es ist immer dasselbe, es ist noch heute nicht anders: Die „Expansion“ und „Überhitzung“, die zur schweren Krise führt, ist nicht bloß Folge eines Expansionswillens der produzierenden Kapitalisten, sondern auch dessen, dass dieser Wille von kapitalkräftigen Banken unterstützt wird. Die Unterstützung geht jedesmal über das hinaus, was vernünftig wäre. Die Banken prüfen nicht sorgsam, ob Kredite einem Geschäft mit hinreichend seriösen Käufern und Verkäufern gelten (die beide kreditiert werden) – das tun sie beim Bäcker, der kleine Brötchen backt, nicht aber, wenn gigantische Projekte wie der Eisenbahnbau finanziert sein wollen -, sondern haben offenbar ein von der Seriosität des Kreditnehmers ganz unabhängiges  E i g e n i n t e r e s s e ,  u n b e d i n g t  K r e d i t e  z u  v e r g e b e n  – außer wenn gerade eine Blase geplatzt ist; aber bald „beginnt das Spiel von Neuem“!  W i e  k o m m t  d a s ? Darüber erfahren wir bei Plumpe gar nichts. Er erzählt den Leichtsinn der Banken, ohne ihn je zu begründen.

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Was hier fehlt, können wir von Marx lernen. Die Marxsche Krisenerklärung setzt anders an, nicht beim Spiel von Angebot und Nachfrage, sondern beim Schicksal des Mehrwerts und Profits. Der Mehrwert, den ein Kapitalist durch den Verkauf einer Ware gewinnt und in Form von Geld einstreicht, muss zum Kauf von Konsum- oder Investitionsgütern verwendet werden, sonst wäre das Geld kein Geld. Es würde sich nicht von, sagen wir, verbrauchten Bustickets unterscheiden, wenn jemand auf die Idee käme, sie zu horten. Geld kann eine Weile „gespart“ werden, aber nicht ewig. Dieser Mehrwert nimmt andrerseits in Relation zu den Kosten pro Wareneinheit immer mehr ab, weil Maschinen und Automation in der Produktion der Ware eine immer größere Rolle spielen. Diese Kosten werden aus dem Verkaufserlös zurückerstattet, ein Gewinn aber kann nur der lebendigen Arbeit entspringen, der Ware, die nicht so viel kostet, wie sie selbst leistet. Von solcher Arbeit wird immer weniger gebraucht. Also fällt immer weniger Mehrwert an. Das heißt:  P r o  W a r e n e i n h e i t  fällt immer weniger Mehrwert an. Die stärkeren Unternehmen gelangen trotzdem bei immer mehr Automation zu einer Steigerung des Mehrwerts, dadurch, dass sie  s e h r  v i e l e  Waren produzieren lassen. Die „Profitrate“ ist dann zwar „tendenziell gefallen“, aber weil es sich, wie man sagt, zusammenläppert, kann  d i e  S u m m e  des Profits, auf die es ankommt, sogar noch gewachsen sein.

Dies aber nur bei den stärkeren Unternehmen. Die schwächeren können sich den Aufbau gigantischer Produktionskapazitäten nicht leisten. Sie werden noch schwächer, die stärkeren noch stärker. Um dennoch in der Konkurrenz zu überleben, werden die Schwachen eine Neigung zur riskanten Produktion, ja zur Spekulation entwickeln. Das ist die eine Seite. Marx hebt sie besonders hervor. Die andere ist aber, dass die Starken aus gigantischer Produktion gigantischen Mehrwert gezogen haben, der nun wieder, wie gesagt, zum Kauf von Konsum- oder Investitionsgütern ausgegeben werden muss. Faktisch wird er erst einmal in den Banken, den „Finanzplätzen“ gelagert. Damit ist das Geld zwar noch nicht ausgegeben, aber es wächst wenigstens derweil, bringt Zinsen ein. Die Banken müssen aber  a u c h  Gewinn machen, um mindestens diese Zinsen zahlen zu können. Damit ist ihr Eigeninteresse, unbedingt Kredite zu vergeben, erklärt. Sie erhalten dann selbst Zinsen, statt nur welche auszahlen zu müssen. Die beiden Seiten greifen wie Zahnräder ineinander: Wenn schwächere Unternehmen Grund haben, sich in riskante Geschäfte zu stürzen, brauchen sie dafür den Kredit von Banken, die ihrerseits Grund haben, riskante Kredite zu vergeben.

So kommt es also, dass wir lesen: „Der Finanzplatz London schürte die Erwartungen.“ Aber ich habe da nicht von Vabanque-Spielern gesprochen, wie denn der Finanzplatz nicht wirklich ein „Casino“ war oder ist. Wenn man es so sehen wollte, würde man es sich zu einfach machen. Man muss schon auch die  R a t i o n a l i t ä t  sehen, in der sich die Beteiligten trotz allem zu bewegen glauben. Die besteht eben darin, dass alle sich dem Spiel von Angebot und Nachfrage anvertrauen, ist es doch der typische Mechanismus der hoch gelobten kapitalistischen Marktmaschine. Alle Aktivitäten ergeben sich logisch daraus, dass die Beteiligten die Preise beobachten – ganz, wie es sein soll. Werner Plumpe gebührt Dank, dass er diese Seite der Sache klar dargestellt hat. Aber damit zeigt er faktisch, die Sache ist von Anbeginn kaputt. Eine Marktmaschine, in der aus ein und derselben Logik heraus die Suchbewegungen mal auf Gleichgewichtspreise, mal auf schwere Wirtschaftskrisen hinauslaufen, ist so nicht akzeptabel. Der Umbau muss bewirken, dass nur das Erste geschehen kann, das Zweite ausgeschlossen wird.