(94) Gesellschaftsgeld und individuelles Geld

8. Gesellschaftsgeld / Vierter Teil – Vor der Erörterung von Proportionswahlen: Zugehörige neue, nicht mehr kapitalistische ökonomische Institutionen

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Mir ist klar, dass die in der vorigen Notiz aufgestellte These, Geld sei nicht primär ein ausgesondertes Ding, sondern Bezeichnung des ökonomisch Möglichen, nicht ohne Weiteres verständlich sein kann, weder in ihrer Tragweite noch überhaupt. Es ist aber nicht schwer, sie mit Hinweisen auf die Geschichte des Geldes plausibel zu machen. Die These impliziert ja, dass Geld schon immer diese Möglichkeitsbezeichnung war, wenn man auch heute etwas anderes in ihm sieht oder andere Geldeigenschaften wichtiger findet.

Fangen wir mit archaischen Zeiten an, die noch gar kein Geld kennen, wohl aber einzelne Funktionen des Geldes schon entwickeln. Historische Untersuchungen haben ergeben, dass die grundlegende Funktion nicht das Tauschen ist, sondern die Zahlung oder Rückzahlung. Eine übrigens nicht unumstrittene Einsicht, doch will ich den Streit erst nach der Sache erörtern, die mir eindeutig scheint. Dass Geld Zahlungsmittel war, lange bevor es auch Tauschmittel wurde, hat nicht erst David Graeber in Erinnerung gerufen, auf dessen Buch Schulden. Die erste 5.000 Jahre, Stuttgart 2012, ich unten wegen einer anderen Geldfunktion zurückkomme, sondern vor ihm Karl Polanyi, den ich jetzt zunächst zitieren will. Vorab noch, was ist der Bezug zu unserm Thema? Nun, wenn Geld Zahlungsmittel ist, liegt darin ja schon, dass es das ökonomisch Mögliche und dessen Grenzen anzeigt. Kann man doch nur so viel zahlen, wie man hat. Das geht dem einzelnen Individuum so und auch der ganzen Gesellschaft.

Die eigentlich interessante Frage wird freilich sein,  w o m i t  man denn zahlt, zahlen kann – was als Zahlungsmittel  a n e r k a n n t  wird. Doch eins nach dem andern.

Lange vor dem Geld, das in unsern Augen den Namen verdient, weil wir es für voll entwickelt halten, bilden sich Zahlungsmittel heraus. Ausgangssituation sind Verpflichtungen, wie dass eine Schuld zu bestrafen oder die Lücke, die in einem Segment der Gesellschaft durch Brauthergabe entsteht, zu schließen ist. Polanyi beginnt mit dem Hinweis, dass „Verpflichtungen […] in der Regel spezifischer Art [sind], wodurch ihnen ein Wesensmerkmal der Bezahlung fehlt – ihr quantitativer Charakter“. Er unterscheidet dann mehrere Stufen der Wiedergutmachung, oder allgemeiner gesprochen der Rückgabe, aus denen sich die Form der Zahlung erst allmählich entwickelt. Bei der ersten Stufe kann noch nicht von „Zahlung“ gesprochen werden:

„Eine Verletzung sakraler und gesellschaftlicher Verpflichtungen, sei es gegenüber Gott, Stamm, Sippe, Totem, Dorf, Altersgruppe, Kaste oder Zunft, wird nicht durch Bezahlung ausgeglichen, sondern durch eine  q u a l i t a t i v  richtige Tat. Die Erfüllung einer Verpflichtung kann Brautwerbung, Eheschließung, Ausschließung, Tanz, Gesang, Verkleidung, Fasten, Wehklagen, Zerfleischung, ja sogar den Selbstmord umfassen, doch stellen sie deshalb noch keine Form der Bezahlung dar.

Das spezifische Merkmal der Verwendung von Geld als Zahlungsmittel ist die Quantifizierung. Die Bestrafung ähnelt einer Bezahlung, wenn der Vorgang der Schuldauslöschung abzählbar ist, wenn z. B. die Schuld durch eine bestimmte Anzahl von Peitschenhieben, Drehungen der Gebetsmühle oder Fasttage gesühnt wird. Aber obwohl nun eine ‚Zahlungsverpflichtung‘ entstanden ist, wird das Vergehen nicht durch die Preisgabe von quantifizierbaren Gegenständen gesühnt, sondern primär durch den Verlust persönlicher qualitativer Werte, oder von sakralem und gesellschaftlichem Status.

Die Verwendung von Geld als Zahlungsmittel verbindet sich mit der Wirtschaft dann“ –

Gemeint ist: Das Zahlungsmittel ist  d a n n  zum  w i r t s c h a f t l i c h e n  Zahlungsmittel geworden, und also dann erst zu einem Ding mit der  G e l d funktion „Zahlung“ -,

„wenn es sich bei den von der verpflichteten Person abgegebenen Einheiten um physische Gegenstände handelt, etwa um Opfertiere, Sklaven, Schmuckmuscheln oder bestimmte Mengen von Nahrungsmitteln. Die Verpflichtungen können deshalb immer noch vorwiegend nichttransaktional sein“

– derart dass sie keinen  ö k o n o m i s c h e n  Tausch begründen, wenn auch einen Tausch -,

„wie die Bezahlung einer Strafe, Ablösung oder eines Tributs, die Überreichung von Geschenken oder Gegengeschenken, eine Ehrung der Götter, Ahnen oder Toten. Es besteht hier jedoch ein bedeutender Unterschied, denn der Bezahlte erhält das, was der Zahler verliert – der Effekt dieses Vorgangs entspricht dem rechtlichen Begriff von Bezahlung.“ (Die Semantik der Verwendung von Geld, in: Ökonomie und Gesellschaft, Frankfurt/Main 1979, S. 317-345, hier S. 323 f.)

In diesem Bericht wird nicht nur die Möglichkeit sichtbar, überhaupt zu zahlen, weil oder wenn man über Zahlungsmittel in hinreichender Menge verfügt, sondern auch, dass es verschiedene Möglichkeiten der Zahlung geben kann. Polanyi ist übrigens noch nicht fertig, sondern zeigt anschließend, dass Geld als Zahlungsmittel immer auch Machtmittel ist. Macht ist ja selber, wie schon die Etymologie lehrt, vor allem Möglichkeit, wenn auch das Umgekehrte nicht gilt, dass Möglichkeit immer oder meistens Macht verschaffe. Mächtigsein heißt sehr viele realisierbare Möglichkeiten haben. Ja, wenn Geld das Möglichkeitsmedium ist, hat jemand, der über ein „Vermögen“ verfügt, mehr Macht als andere. Ich will aber diesen Aspekt, gerade weil er so wichtig ist, hier erst einmal beiseitelassen.

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Um von dem auszugehen, was nach Auskunft aller geldtheoretischen Schulen die Geldfunktionen sind, müsste ich das jetzt zu Erörternde, nämlich was das ist, womit bezahlt werden kann, als die Verrechnungs- oder Rechnungseinheit bezeichnen. Doch wie Polanyis Referat zeigt, würde der Begriff zu kurz greifen. Rechnen setzt Zahl voraus, Zahlung ist aber nicht die ursprüngliche Form der Rückgabe. Daher, wie es von dem, was später Zahlung sein wird, eine vormathematische Form gibt, so auch von der späteren Rechnungseinheit. In der archaischsten, noch vorstaatlichen Gesellschaft dachten die Menschen eher in Metaphern(ketten) als in Zahlen und logischen Bezügen. Wenn sie dann  g e o r d n e t  dachten und handelten, was sie natürlich taten, dann in der Form, dass sie klassifizierten. (Claude Lévi-Strauss hat den Zusammenhang in Das wilde Denken, Frankfurt/Main 1973, erörtert.) Innerhalb einer Klasse findet man einander ähnliche Dinge, wobei nicht nur der Augenschein, sondern auch die Metaphorik darüber entscheidet, was als ähnlich gilt und was nicht. Für die Ökonomie bedeutet das, Dinge gelten als äquivalent – so dass sie getauscht werden können -, wenn sie hinreichend ähnlich sind, sie sind aber dann hinreichend ähnlich, wenn sie derselben Dingklasse angehören, das heißt zugeschrieben werden.

In einer archaischen „Schenkökonomie“, schreibt David Graeber – das ist eine Ökonomie, in der, wenn Menschen Sachen verschenken, erwartet wird, dass die Empfänger sich mit Gegengeschenken revanchieren -, stellt sich die Frage, wie entschieden werden kann, „dass X ungefähr y entspricht“. Denn man will sich nicht lumpen lassen, sondern ein Geschenk soll des andern wert sein. Antwort: „In den meisten Schenkökonomien gibt es eine pragmatische Lösung für das Problem. Man stellt eine Rangfolge unterschiedlicher  T y p e n  von Dingen auf. Schweine und Schuhe können Dinge von ungefähr gleichem Status sein, und man kann das eine gegen das andere tauschen. Korallenhalsbänder sind etwas ganz anderes, man kann nur ein Korallenhalsband gegen ein anderes oder zumindest gegen ein anderes Schmuckstück tauschen – die Anthropologen sprechen in solchen Fällen von unterschiedlichen ‚Austauschsphären‘. […] Wenn Tauschhandel über Kulturgrenzen hinweg regelmäßig und selbstverständlich wird, funktioniert er üblicherweise nach ähnlichen Prinzipien: Nur bestimmte Dinge werden gegen bestimmte andere getauscht (Kleidung gegen Speere zum Beispiel), und damit ist es leicht, traditionelle Äquivalente zu finden.“ (Schulden, a.a.O., S. 43)

„[Christopher A.] Gregory zitiert als Beispiel ein System mit sechs Rangstufen aus dem Hochland von Papua-Neuguinea. Ganz oben auf der ersten Stufe stehen lebende Schweine und Kasuare (große Laufvögel), auf der zweiten Stufe folgen ‚Perlmuttanhänger, Schweinehälften, Steinäxte, Kopfschmuck aus Kasuarfedern und mit Kaurimuscheln besetzte Stirnbänder‘ und so weiter. Konsumartikel stehen üblicherweise auf den beiden untersten Stufen: Luxuslebensmittel auf der vorletzten und Grundnahrungsmittel auf der letzten.“ (S. 413)

Wenn wir die zweite Stufe herausgreifen, sehen wir, jemand, der zum Beispiel eine Schweinehälfte wegtauschen will, kann dafür Steinäxte  o d e r  Schmuck aus Perlmutt  o d e r  aus Kasuarfedern  o d e r  aus Kaurimuscheln bekommen, und es gibt noch mehr Eintauschbares innerhalb dieser Dingklasse. Oder wenn jemand Perlmuttanhänger hat, kann er die andern genannten Dinge dafür eintauschen, eines oder mehrere oder auch alle, wenn er über sehr viele Perlmuttanhänger verfügt. Er hat diese  M ö g l i c h k e i t e n . Aber damit hat es sich dann auch. Seine Tauschmöglichkeiten sind begrenzt. Lebende Tiere zum Beispiel kann er mit noch so viel Perlmutt nicht eintauschen. Es wäre auch ökonomisch unvernünftig, wenn er es könnte, denn wer sein ganzes Schwein gegen Kasuarfedern eintauschte, wie sollte der sich noch ernähren? Eine Schweinehälfte, ja! Denn dann bleibt ihm noch die andere Hälfte. Wir sehen indes, dass die Regeln, so sehr ihr ökonomischer Sinn einleuchtet, eben nicht irgendwie errechnet oder aus „objektiven“ Gegebenheiten, wie dass Schweineaufzucht und Muschelsammeln gleichermaßen Zeit kosten, sauber „abgeleitet“ sind. Vielmehr hat sie der gesunde Menschenverstand gefunden. Das ist keine Ökonomie, die durch Gleichungen modelliert werden könnte. Es gilt nicht „x Ware A = y Ware B“, sondern nur, dass die Waren A und B als Dinge derselben Dingklasse einander ähneln.

In der Gleichungsökonomie, von der wir hier noch nicht sprechen, scheint das Geld ungeheuer viele, ja unendlich viele Möglichkeiten zu eröffnen. Nur im Nachhinein, wenn es nämlich einen Crash gegeben hat, stellt sich heraus, dass Grenzen überschritten worden sind, vor denen man besser Halt gemacht hätte. Grenzen, die im Voraus leider gar nicht erkennbar waren. In jener archaischen Ökonomie, die noch kein ausdifferenziertes Geld kennt, sondern mal dieses, mal jenes Ding als Vergleichs- (noch nicht Verrechnungs-) Grundlage nimmt, ist die Festsetzung von Grenzen das Erste. Kaum werden sie als Grenzen des „möglichen“ Tauschs gedacht worden sein. Eher als Grenzen des zulässigen, gebilligten und anerkannten Tauschs. Aber in heutigen Begriffen gedacht waren das ökonomische Möglichkeitsgrenzen.

„Ökonomisch möglich“ heißt hier allerdings nicht, dass es gar nicht anders gegangen wäre. Man kann sich einen Tausch von, sagen wir, Kopfschmuck gegen Luxuslebensmittel durchaus vorstellen. Er hätte zu keiner ökonomischen Krise in Papua-Neuguinea geführt. „Unmöglich“ war dieser Tausch nur deshalb, weil er nicht gewollt wurde. Aber das ändert ja nichts. Und so archaisch das alles ist, gerade auf diesen Zug einer frühen Ökonomie der „Austauschsphären“ wird die Ökonomie der Anderen Gesellschaft zurückkommen. Sie wird nämlich nicht nur  e r m i t t e l n , was objektiv möglich und unmöglich ist, sondern auch  e n t s c h e i d e n , was möglich  s e i n  s o l l  und was nicht, und wird ihre Geldschöpfung von Beidem abhängig machen.

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Es hat also im ersten Schritt noch keine Rechnungseinheit, wohl aber eine Klassifikation gegeben. Was ist dann das historisch Übergreifende? Ich sprach in erster Annäherung vom Ordnen. In der vorstaatlichen Gesellschaft, sagte ich, wurde nicht nur metaphorisch gedacht, sondern sie gab sich eine Ordnung. Da Klassifikation wie Rechnungseinheit Ordnungen sind, scheint „Ordnung“ der übergreifend allgemeine Begriff zu sein, mit dem man die in Rede stehende Geldfunktion am besten bezeichnet.

Dem ist aber nicht so. Denn wie man leicht sieht, mangelt es dem Begriff an hinreichendem Gehalt. Ordnung gibt es in jeder Sphäre und Ausdehnung. Nicht nur die „Regulation“ des Marktes ist eine Ordnung, sondern auch das „Portfolio“ von irgendwem wird methodisch, also ordentlich sortiert, und wer beides zusammenzieht, bedient sich vielleicht eines Begriffs wie „Ordoliberalismus“. Hier aber haben wir es mit Ordnungen zu tun, die sich eine  G e s e l l s c h a f t  gibt, um ihre ökonomischen Belange zu regeln. Das ist der springende Punkt. Die Austauschsphären in Papua-Neuguinea sind eine gesellschaftliche Übereinkunft. Ebenso muss darüber, was als ökonomische Rechnungseinheit gilt, ein gesellschaftlicher Konsens bestehen. Das können nicht einzelne Individuen, seien sie noch so mächtig, oder Gruppen von Individuen festlegen.

„Gesellschaftlicher Konsens“, das hieß bislang immer:  D i e  S t a a t e n  legen es fest, und die Gesellschaft hält sich daran. Allerdings hat sich auch das erst entwickelt, da es ja nicht von Anbeginn Staaten gab. In Papua-Neuguinea waren Gesellschaft und Staat – status, Zustand – noch dasselbe. In der Anderen Gesellschaft sollen sie es wieder werden. Doch betrachten wir zunächst, was Geld als Rechnungseinheit in der Zeit der Staaten war. Es war als Rechnungseinheit immer gesellschaftsübergreifend. Das ist ja nur logisch. Tautologisch will ich es nur deshalb nicht nennen, weil Vereinheitlichung, daher die Schaffung einer Rechnungseinheit, in staatlich regierten Gesellschaften immer eine Macht- und Gnadenressource ist, die sich der Staat vorbehält. Der Staat eint und sortiert, die Gesellschaft muss zusehen, wie sie geeint und sortiert wird. Wenn sich aber kein Staat abhebt, dann eint sich die Gesellschaft selber. Und  w e n n  er sich abhebt, dann muss er sich auf die Gesellschaft  b e r u f e n . Deshalb will ich die verschiedenen Geldordnungen, solche wie Klassifikation und Verrechnung, historisch übergreifend mit der gesellschaftlichen Dimension von Geld identifizieren und sie so auch bezeichnen. Also: Darin, dass Geld Rechnungseinheit ist, ist es  g e s e l l s c h a f t l i c h e s  Geld.

Wenn das so ist, lehrt aber gerade die Staatengeschichte, was heute gern verdrängt wird: dass gesellschaftliches von  i n d i v i d u e l l e m  Geld in der längsten Zeit  v e r s c h i e d e n  war. Verschieden und deutlich getrennt. Zunächst, was ist individuelles Geld? Das, mit dem getauscht werden kann. Jedes Individuum, das Geld hat, kann es nach individueller Präferenz austauschen. Hingegen ist das Gesellschaftliche am Geld dessen Rechnungseinheit. Und nun, warum ist das wichtig? Weil es wünschenswert ist, dass gesellschaftliche Ökonomie über individuelle  d o m i n i e r t , und so auch gesellschaftliches Geld über individuelles Geld.

Dominieren kann gesellschaftliches Geld nur, wenn es sich vom individuellen unterscheidet. Sobald es, wie inzwischen, mit ihm dasselbe geworden ist, neigt das Individuelle dazu, das Gesellschaftliche zu usurpieren, zu privatisieren und letztlich zu zerstören. Das Geld wird dann selber, um mit Marx zu sprechen, zum „wahren Gemeinwesen“. Die Wahrheit des Gemeinwesens liegt dann in dessen Selbstzerstörung. Und hier kommen wir auf unser Thema zurück: Der  z e r s t ö r e r i s c h e  Charakter eines Geldes, das  i n d i v i d u e l l  u n d  g e s e l l s c h a f t l i c h  i n  E i n e m  ist, erweist sich darin, dass seine Handhabung unaufhaltsam – nicht ständig zwar, aber immer wieder – zur  Ü b e r s c h r e i t u n g  d e r  G r e n z e n  d e s  ö k o n o m i s c h  M ö g l i c h e n  führt.

Mit Recht hat Marx hervorgehoben, dass im vorhandenen Geld die individuelle Dimension sich über die gesellschaftliche erhebt, worin gerade der von ihm so genannte Fetischcharakter des Geldes besteht. Ich will das in der nächsten Notiz kurz in Erinnerung rufen. Hier sei aber noch auf die frühe Staatsökonomie verwiesen, in der gesellschaftliches Geld von individuellem getrennt war und deshalb dominant sein konnte. Wir wollen sie nicht nachahmen, uns nur an der Trennung ein Beispiel nehmen. Gesellschaftliches Geld war Edelmetall, das der Staat bei sich lagerte. Bevor Münzen geprägt wurden, war es nicht in Umlauf, sondern man tauschte auf inneren Märkten mit Kaurimuscheln und dergleichen. Das war das individuelle Tauschgeld. Wertvoll war solches Geld nur in seinem errechenbaren Bezug zum gesellschaftlichen Geld. Das gesellschaftliche Geld, die staatlichen Edelmetalle waren aber eine endliche Menge.

Damit, dass sie internationalen Kaufleuten verliehen wurden, begann das gesellschaftliche Geld individuell zu werden, doch hatte der Staat zunächst noch alle Mittel in der Hand, die Kaufleute zu disziplinieren und als seine Werkzeuge zu benutzen. Er  m u s s t e  es ihnen leihen, wenn er sonst keine Güter hatte, die den internationalen Tauschpartner interessieren konnten. Graeber erzählt, dass so ein Verhältnis zwischen China einerseits, dem Vorderen Orient und Europa andererseits bestand. China bezahlte in Seide und nahm Edelmetall entgegen, das so als Zahlungsmittel und Rechnungseinheit fungierte. Wir wollen jetzt nur festhalten, dass ein Staat seinen Kaufleuten nicht mehr Edelmetall mitgeben kann, als er hat. Fortsetzung folgt.

Zwei Fragen sind in der nächsten Notiz zu klären: Wie kommt es zur Umkehrung des Dominanzverhältnisses zwischen gesellschaftlichem und individuellem Geld in der Form, dass beide ganz buchstäblich miteinander verschmolzen werden? Und wie kann, in der Anderen Gesellschaft, die Dominanz gesellschaftlichen Geldes wiederherstellt werden? Letztere Frage scheint zwar völlig in der Luft zu hängen, da Geld inzwischen nicht mehr Edelmetallgeld ist und es auch nicht wieder werden wird. Mehr noch deshalb, weil ein über individuelles Geld dominierendes  S t a a t s g e l d  nicht wünschenswert wäre. Wie soll denn aber Geld gesellschaftlich statt individuell sein können, ohne Staatsgeld zu sein? Wir werden sehen, die Frage lässt sich trotz allem beantworten.