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Wir sind bei der Frage, warum der Warenwelt in der Anderen Gesellschaft jene Art von Faszination und suchterzeugendem Sog nicht mehr anhaftet, durch die sie uns heute vielfach beherrscht. Weil sie, in Umkehrung der Herrschaft, wirklich frei wählbar geworden ist, wurde in der 71. Notiz geantwortet. Dazu ist noch manches zu sagen, bevor wir uns dem damit zusammenhängenden Thema Werbung zuwenden können. Ich brauche nun doch die ganze 72. Notiz dafür, will aber, damit wir vorankommen, die 73. Notiz, die von Werbung und nur von ihr handelt, in wenigen Tagen folgen lassen.
Ich diskutiere die Frage unter dem Gesichtspunkt, wie Waren den Käufern unmittelbar begegnen, und habe deshalb den Akzent auf ihre „Schönheit“ gelegt. In der befreiten Kommunikation zwischen Nachfrage und Angebot geht es darum, Ernst zu machen mit dem Schönheitsanspruch, den kapitalistische Waren typischerweise nur vortäuschen, weil sie nicht so sehr auf Wahrheit angelegt sind – Schönheit wäre das, worin zukünftige Wahrheit vorscheint (und gegenwärtige nicht übertüncht wird) – als auf möglichst viel Profit. Es werden deshalb Instanzen eingesetzt, durch die sich die Käufer imstandsetzen, zwischen Schönheit und vorgetäuschter Schönheit zu unterscheiden. So weit waren wir gekommen. Ich ergänze jetzt, dass die Einführung solcher Instanzen ganz unproblematisch ist.
Das Fach „Produktdesign“ gibt es schon heute, es wird auf Kunstakademien gelehrt. Wer dort studiert, tut es nicht aus kapitalistischen, sondern künstlerischen Motiven. Es ist nur so, dass das Studium oder wohl erst seine praktische Anwendung dem kapitalistischen Verwertungsinteresse unterworfen ist. In der Anderen Gesellschaft gehen die Studierten teils in die nicht mehr kapitalistischen Unternehmen (denen wir nicht von vornherein unterstellen, dass sie Schönheit vortäuschen wollen; aber verboten ist es nicht und daher möglich), teils gehen sie in die neuen Instanzen, die solche der Nachfrage sind. Diese propagieren ein Produktdesign, wie es sein könnte, und stellen es öffentlich aus. Die Käufer können dann das im wirklichen Angebot realisierte Design am künstlerisch propagierten messen. Oder umgekehrt.
Finanziell ist es leicht zu machen. Die Unternehmen haben heute einen Werbe-Etat, der sehr groß ist. Er dient dazu, der Nachfrage mitzuteilen, dass ihnen genau das angeboten werde, wonach sie fragen. Wenn wir den Anspruch beim Wort nehmen, wie es in der Anderen Gesellschaft geschieht, ist er Anspruch der Nachfrage ebenso wie des Angebots. Das liegt ja wohl in der Logik der Sache. A l s o w i r d d e r W e r b e – E t a t g e t e i l t . Mit der einen Hälfte können die Unternehmer ihr reales Design anpreisen, mit der andern bezahlt man die Künstler-Propaganda des m ö g l i c h e n Designs, wofür uns das Weimarer Bauhaus als Vorbild vorschwebte. Zusammengenommen wissen die Unternehmer dann mehr über die Nachfrage, und müssen es wissen wollen, als heute.
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Es war ein Fehler früheren marxistischen Denkens, den Schönheitsaspekt der Waren zu unterschätzen. Befreite Werbung habe über den Gebrauchswert zu informieren, statt für den Tauschwert zu funktionieren, war eine gängige Argumentationsfigur. Ihr folgend gab man alles, was mit Schönheit zusammenhängt, freiwillig an die Tauschwert- und Kapitalseite ab, ein wahrlich generöses Geschenk. Es war ein Schatz, mit dem die Kapitalseite zu wuchern verstand. Selbst die Vortäuschung von Schönheit in Werbung und Produktdesign reichte aus, die Welt des Realen Sozialismus „grau“ erscheinen zu lassen. Vorgetäuschte Schönheit war immer noch besser als gar keine. Ich will natürlich nicht behaupten, dass nichts im Realen Sozialismus schön gewesen sei. Aber dass die Schaufenster und Reklameflächen kapitalistischer Metropolen mehr anzogen, zeigte, wie viel für die Schönheit des öffentlichen Raums wie auch der privat genutzten Güter hätte getan werden müssen. Pervertiert zwar, kamen die Metropolen des Kapitals einem berechtigten Schönheitsbedürfnis entgegen. Es reicht daher nicht, das kapitalistische Konzept von Schönheit als falschen Ersatz für die Wahrheit der Information über Gebrauchswert-Eigenschaften abzutun; man muss ein anderes Schönheitskonzept dagegen setzen.
Sogar dass Waren f a s z i n i e r e n , kann nicht einfach nur verdammt werden. Sie versprechen mehr als sie halten, ist das Falsche daran. Aber dass sie überhaupt versprechen, lässt sie schon ein Stück weit an der Wahrheit teilhaben. Das wird deutlicher, wenn wir Formen der Warenausstellung betrachten, die historisch überholt sind. Ich denke an die Pariser Passagen und das „Passagenwerk“ von Benjamin. Diese mit Glasdächern überwölbten Kaufschluchten, Mischungen aus Marktgasse und modernem Kaufhaus, sind heute museal, obwohl sie immer noch kommerziell genutzt werden, und tragen zum Reiz der französischen Hauptstadt erheblich bei. Da ist viel Schein versammelt, doch die Menge ausgestellter „Kolonialwaren“ suggerierte auch den Zusammenhang der Stadt mit der ganzen Welt: Davon fasziniert zu sein, hatte man guten Grund.
Man vergleiche damit die „Fußgängerzonen“, die heute das Zentrum so vieler westdeutscher Städte bilden. Ob inzwischen auch der meisten ostdeutschen, weiß ich nicht. Mir erscheinen sie als grundhässlich, obwohl ja alles getan wird, sie aufzuhübschen, etwa durch eine mäßig anspruchsvolle Skulptur oder einen Brunnen. Das ändert nichts daran, dass man von Kaufhäusern umzingelt ist, deren Architektur die Augen beleidigt; vielleicht soll sie es, damit man zu den Schaufenstern mit hübsch arrangierter Auslage flüchtet. Es wird nicht besser, wenn alte Kulturzeugnisse, Kirchen oder Türme, in solche Straßen integriert sind, als sollten auch sie noch zum Kauf anfeuern, wie in München und Nürnberg. Solche Zonen sind das Höchste, was viele Städte ihren Bürgern anbieten, dort spielt sich denn auch das „Leben“ ab. Es gibt wenigstens Eisdielen. Da sitzt man und schaut aufs Schuhgeschäft gegenüber. Italien, glückliches Land, in dir geht man zur Piazza.
Ich sage nur, was mein Geschmacksurteil ist. Vielleicht sehen es andere anders. Es geht nur um die Ankündigung, dass über derlei Fragen öffentlich diskutiert werden und die Diskussion verbindliche Folgen haben wird. Man kann den Fußgängerzonen zugutehalten, dass sie die Zeit des Einkaufens verkürzen, weil eben alle Kaufhäuser auf einen Haufen geschmissen sind, der nun ausgerechnet das Stadtzentrum bildet. Aber wollen wir das wirklich? Kann man es nicht anders ebenso effizient regeln? Auch wo, wie und in welchem Umfang Werbung platziert wird, ist eine Frage des Stadtbilds und müsste der öffentlichen Debatte zugänglich sein.
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Kürzlich, als ich bereits am gegenwärtigen Warenkapitel schrieb, blätterte ich Vermeer wieder einmal durch. Dass in Vermeers Gemälden von puren Dingen ein gewaltiger Sog ausgeht, hatte mich schon früher sozusagen unterschwellig beunruhigt. Jetzt, wo ich mir dessen als einer Frage bewusst wurde, fiel mir auf, dass sich der Sog in der Entstehungsreihenfolge der Gemälde noch unablässig steigert. Man kann leicht zeigen, dass es um Warenfaszination geht. Vermeer war übrigens Kunsthändler und betrieb auch einen Gasthof.
Am Anfang dominieren die Menschen über die Dinge, am Ende umgekehrt. Der Künstler wusste also, was er tat. Es gibt ja auch die weitere Tendenz, dass die Menschen am Anfang im dinglichen Situationszusammenhang ganz unproblematisch aufgehen, während dann mehr und mehr angedeutet wird, dass sie ihm in ein Jenseits zu entkommen bestrebt sind. In der mittleren Phase sieht man Frauen, die Briefe lesen: aus der Ferne, vor Weltkarten, die den kolonialen Kontext andeuten. Das Licht, das vom Fenster hereinfällt, hat bereits auch den Sinn von Erleuchtung, nach dem Vorbild der Darstellung des „heiligen Hieronymus in seiner Zelle“ bei Dürer oder Carpaccio. Einmal blickt ein Astronom Inspiration suchend zum Fenster, während er seine Objekte aufzeichnet, die man nicht sieht. In der letzten Phase finden wir ein Mädchen, das ergriffen am Virginal spielt, einer Art Cembalo, dessen Name auf Jungfräulichkeit deutet, als spielte die heilige Caecilie. Das Virginal ist eins von mehreren dominierenden Dingen, die hier optisch schon geradezu alles erschlagen. Doch gerade weil sie faszinieren, erscheinen sie als fragwürdig, der Mensch jedenfalls, der zu sehen ist, ist zum musikalischen und wohl auch religiösen Jenseits unterwegs.
Dass Vermeer sich mit der Warenwelt auseinandersetzt, werden andere längst festgestellt haben. Denn nicht immer stehen Brieflesende vor dem Fenster, sondern auch Mädchen werden gezeigt, die Gold abwiegen oder ihren Schmuck im Spiegel anschauen. „Die Perlenwägerin“ kann überhaupt als d a s Emblem von Warenfaszination gelten. Drei Gemälde behandeln direkt Prostitution: das bekannte „Bei der Kupplerin“ und zwei weitere, in denen „Die Kupplerin“ von Dirck van Baburen an der gemalten Zimmerwand hängt. Eins davon ist die erwähnte „Sitzende Virginalspielerin“. Der Antagonismus von Ware-Geld-Beziehung und einem Jenseitigen, in das man fliehen zu können meint, wird hier direkt dargestellt. Das Mädchen, das die dem Bildbetrachter unhörbare Musik spielt, gewinnt gegen Baburens Mädchen, obwohl beide praktisch gleich groß wiedergegeben sind.
Doch was ist gegen die faszinösen Dinge nun eigentlich zu sagen, die goldbeschlagenen Stühle etwa und kostbaren Teppiche, die, zu Bergen aufgebauscht, als Tischdecken fungieren? Sie faszinieren, weil sie fremd hereinkommen, teils vom Ausland, teils von inländischer Arbeit, die Vermeer auch darstellt („Die Spitzenklöpplerin“). Daran ist nichts verkehrt. Man soll sich ihrer F r e m d h e i t bewusst bleiben. Das ist etwas anderes, als wenn die Quelle der Faszination unerkannt bleibt und den Waren als Waren zugeschrieben wird. Für Vermeer sind Fremdheit und Warenförmigkeit eins, für uns nicht mehr. In der Anderen Gesellschaft können Waren nur noch durch Fremdheit faszinieren, nicht aber mehr, weil ihnen im Verwertungsinteresse Suchtmittel beigemischt sind.
Dass Fremdheit und Schönheit zusammenhängen, hat weder mit Kapitalismus noch mit der Ware-Geld-Beziehung etwas zu tun. Mit Kant könnte gezeigt werden, dass Schönheit das Resultat eines Prozesses ist, der sich in den Augen, oder Sinnen überhaupt, des Betrachters abspielt. Schönheit ist ästhetisch angeeignete Fremdheit. Das Fremde, das wir uns nicht ästhetisch aneignen können oder wollen, tritt uns als hässlich entgegen. Die Aneignung aber, wenn sie nun doch gelingt, überspringt uns gewissermaßen, weil wir das Fremde nur so aneignen können, dass wir es sogleich zum Bild des Ewigen, zur Metapher des Noch Nicht gestalten. Wir ahnen dann im Fremden das Versprechen von Wahrheit und bringen dieses an die Oberfläche, machen es den Sinnen zugänglich. Daraus resultiert die Oberfläche, die fasziniert. Der dahin führende Prozess ist selber nicht schön. A r b e i t ist nicht schön, oder muss es nicht sein, sei’s die ästhetische Aneignungs-Arbeit oder die reale, die ein Ding produziert. Vielleicht ist das der Grund, weshalb es in Vermeers „Spitzenklöpplerin“ eine Stelle gibt, in der Farbe einfach zerläuft, von einem fließenden Farbgerinsel spricht Ernst Günther Grimme. Im 19. Jahrhundert war Monet so weit, das schön zu finden, Vermeers Zeitgenossen dürfte es nur befremdet haben.
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In der vorigen Notiz sprach ich von Klaus Holzkamp, einem Professor, bei dem ich studiert habe. Ich zitierte ein Gedicht dieses Mannes und formulierte, man sehe da, „wie die Außenseite eines Lebensentwurfs – Stuhl, Haus, Treppenflur, Straßenecke […] – sich von einer Innenseite aus Liebe, Kunst und Arbeit am ‚Lebenswerk‘ unterscheidet“. So eine Innenseite muss nicht schön sein. Besonders die Arbeit nicht, die Holzkamp dazu trieb, morgens vier Uhr dreißig aufzustehen und sogar den Sonntag mit seiner Frau, die auch leidenschaftlich arbeitete, der Professorin Ute Holzkamp-Osterkamp, nicht zu teilen. Hier wird Schönheit erst hergestellt, direkt oder als Beitrag für später. Auf die Innenseite kommt es an. Aber die Außenseite der bereits hergestellten Dinge, der Waren, von denen jemand umgeben ist – in seinen alltäglichen Zyklen der „Lebensführung“ -, fordern unser Urteil, ob sie schön seien, immer schon heraus. Wenn Holzkamp in seinem Gedicht (faktisch) von Waren spricht, sind das welche, die ihm unzweideutig schön sind, eben weil er sie sich hat aneignen können, nicht nur mit Geld: „Ob ich wohl damit rechnen kann, / dass ich, / wenn ich umgekehrt bin, / unsere Straßenecke noch wiederfinde, / und das Schild mit unserer Hausnummer, / und ihr Fenster schräg darüber?“ Das Schild wird er nicht selbst gemacht haben; warum sollte er; es ist eine Ware; sie bedeutet ihm s e i n e Liebe und Arbeit.
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Zyklen der „Lebensführung“ sind zum Beispiel das tägliche Aufstehen, zur Arbeit Fahren, die Arbeit selbst, die Mahlzeiten, das Einkaufen, der gelegentliche Besuch von Kunst- und Unterhaltungs-Events, der „Feierabend“ zuhause, der jährlich mehrmalige Besuch von Freunden, die jährliche Frühjahrsreise. Wir haben sie herangezogen, um Waren, die auf dem Markt einfach da sind und sich der individuellen Wahl darbieten, in Gruppen zusammenfassen zu können. Denn jedem Zyklus sind bestimmte Waren zugeordnet, und umgekehrt lassen sich alle Waren auf die Zyklen, die es gibt, verteilen. Um solche Zyklus-Waren-Gruppen geht es, wenn, wie eingangs erklärt wurde, Produktdesigns teils von Unternehmen vorgestellt, teils von unabhängigen Künstler-Instanzen anders erdacht und ebenfalls öffentlich propagiert werden, so dass alle Marktteilnehmer die Differenz wirklicher und möglicher Waren immer im Auge haben. Hierzu will ich abschließend noch etwas ergänzen.
Es ist eine Korrektur meiner anfänglichen Idee, die Waren des individuellen Bedarfs nach „Lebensstilen“ zu sortieren (vgl. 70. Notiz), wenn ich sie nun vielmehr als Warengruppen, die den Zyklen der „Lebensführung“ zugeordnet sind, verallgemeinere. Der Begriff der Lebensstile antwortet zu oft, so auch in Studien, die von der Konsumgüterindustrie in Auftrag gegeben werden, auf die Frage, welche Bevölkerungsgruppen als Käufer welcher Waren hervortreten. Diese Gruppen sind bei Pierre Bourdieu die Klassen, deren Glieder durch das Gekaufte ungewollt ihre Armut oder gewollt ihren Reichtum ausstellen. Verschieden hohe Einkommen, wenn auch mit geringerem Spreizungsgrad als in der Klassengesellschaft, wird es zwar auch in der Anderen Gesellschaft geben. Das ist aber nicht der Hauptgesichtspunkt, unter dem dort Waren beurteilt werden. Gibt es denn verschiedene Schönheit für verschiedene Einkommen? Heute sagt man, und das steht quer zur Unterscheidung in Lebensstile, die Schönheitskriterien einer Gesellschaft würden vom Geschmack ihrer Oberschicht bestimmt. In der Anderen Gesellschaft wird man sagen, das war wenigstens schon eine Geschmacksbildung mit a l l g e m e i n e r A u s s t r a h l u n g , wir aber haben sie in eine mit d e m o k r a t i s c h e m A n s p r u c h umgewandelt. Die sich, wie skizziert, hauptsächlich auf die Kommunikation von Menschen aller Art mit Künstlern stützt.
„Menschen aller Art“ sind Menschen, die aufstehen, essen und so weiter, also typische Dinge tun, die nicht schichtspezifisch sind. Die Schönheit der zugeordneten Waren braucht es ebenso wenig zu sein. Eine Hauptstrategie von Künstlern wird darin bestehen, dass sie ihren Schönheitsbegriff gerade an Waren demonstrieren, die nicht teuer sein müssen, wie es ja heute schon eine Erfahrung ist, dass Menschen, die über Geschmack und Kunstsinn verfügen, eine Wohnung mit simplen Dingen schön einrichten können. Diese Strategie könnte mit einer sich zur Wahl stellenden gesamtgesellschaftlichen Strategie verbunden sein, die den mehr „inneren“ Kulturgenuss vorschlägt, samt seiner besseren Ermöglichung durch den Ausbau öffentlicher Literatur- und Musikbibliotheken, die viel reicher ausgestattet sind als heute; die Frage, ob der Sessel, auf dem man zuhause liest und Musik hört, mit Leder bespannt oder billiger gearbeitet ist, aber mindestens ebenso schön, wird dann unwichtiger; wenn sich, beeinflusst durch propagierte Vorbilder und durch Debatten, die einer ökonomischen Wahl vorangehen, ein größerer Bevölkerungsteil als heute für diesen Weg entscheidet, wird gesellschaftlichen Reichtum freigesetzt, der statt in teure hässliche Möbel in mehr Entwicklungshilfe fließen kann.
Das wäre auch meine Antwort auf Jeremy Rifkin, der irgendwo schreibt, wenn der Westen auf Speiseeis oder Lippenstifte verzichtete, könnten mit dem eingesparten Geld in aller Welt perfekte Schulsysteme eingerichtet werden. Da fragt man sich, warum ausgerechnet auf Lippenstifte? Spielt da nicht ein asketischer Diskurs herein, der mit dem sozialen Anliegen gar nichts zu tun hat? Die Frage, ob sie bereit sind, etwas einzusparen, müssen die Leute schon selbst beantworten. Dann aber kann auch die Entscheidung, w a s eingespart werden soll, ihnen selbst überlassen werden. Sie werden zunächst in allgemeinen Wahlen verbindlich entscheiden, ob der Wertumfang einer einem Lebenszyklus zugeordneten Warengruppe steigen, gleich bleiben oder sinken soll. Anschließend entscheiden sie durch ihre je individuelle Nachfrage, welche Ware, es muss nicht der Lippenstift sein, ihnen weniger wichtig ist oder welche sie billiger wollen. Haben doch die Künstler am Billigen das Schöne demonstriert. Oder umgekehrt: W e i l die Künstler dies getan haben, e n t d e c k e n die Leute das schöne Billige und begreifen, dass ihre „Lebensqualität“ nicht sinkt, sondern vielleicht sogar steigt, wenn sie in der allgemeinen Wahl für die Senkung des Wertumfangs der Warengruppe stimmen.